US-Präsident Donald Trump kündigte vor laufenden Kameras an, zwei Atom-U-Boote in die Nähe Russlands zu verlegen. Sind wir dem Atomkrieg grad ein Stück nähergekommen?
Sofern Trump die Verlegung strategischer Atom-U-Boote meinte, war seine Ankündigung eine reine Show, da diese Plattformen ballistische Raketen mit Reichweiten tragen, die es ihnen erlauben, Russland auch aus grosser Distanz zu erreichen.
Entfernung bedeutet auch Flugzeit und damit Zeit um einen Abfangversuch zu unternehmen und Sicherheitsmaßnahmen anzuordnen. Im Fall einer totalen Eskalation zwischen den Atommächten wäre das dann auch egal. Um vom Einsatz “taktischer Atomwaffen” abzuschrecken, könnte es ggf. Wirkung haben
Auch während des Kalten Kriegs waren Nuklearwaffen integraler Bestandteil militärischer Planungen – auf beiden Seiten. Man muss sich nur einmal vergegenwärtigen, dass die USA zu dieser Zeit eine grosse Anzahl Atombomben in der Bundesrepublik Deutschland lagerten, die mittels Artilleriesystemen eingesetzt werden sollten. Alle diese US-Atomwaffen mit kürzeren Reichweiten wurden in den Neunzigerjahren aus Europa abgezogen. Auch Russland rüstete in diesem Bereich ab. Inzwischen hat Moskau indes wieder ein reichhaltiges Arsenal an Nuklearwaffen mit kürzeren Reichweiten und kleinerer Sprengkraft zu Lande, zur See und in der Luft aufgebaut und bedroht damit vor allem Europa. Ich finde jedoch, dass der Begriff «taktische Atomwaffe» sehr problematisch ist.
Ich kenne jemanden älteren Semesters, der während seines Wehrdienstes auch das Abschießen solcher Artilleriegeschosse gelernt hat. Die Frage der Rekruten, ob dass nicht Selbstmord ist wurde damit beantwortet, dass der Feind dann hinter einem Hügel wäre, und die Strahlung schon nicht zu ihnen kommen würde. Im Nachhinein ziemlich verrückt, wie man in Deutschland akzeptiert hat, dass zentrale Schlachtfeld zu werden, sollte der kalte Krieg heiß werden.
Weshalb problematisch?
Wir sprechen auch hier über Atomwaffen, und die richten immer einen sehr viel grösseren Schaden an als konventionelle Waffen. Der Entscheid zum Einsatz einer Kernwaffe ist daher immer strategisch. Ob ein solcher Entscheid heute wahrscheinlicher ist, ist schwer zu beurteilen. Problematisch ist auf jeden Fall, dass Russland den Status quo verändern will und Krieg gegen seinen Nachbarn Ukraine führt. Zudem finden zwischen den Atommächten anders als während des Kalten Kriegs derzeit keinerlei Verhandlungen mit dem Ziel statt, die von Kernwaffen ausgehenden Gefahren zu begrenzen.Das finde ich sehr wichtige Punkte, sowohl dass Atomwaffen immer strategisch sind, als auch dass es derzeit an Verhandlungen fehlt, um deren Gefahren zu begrenzen.
Leider leben wir heute in einer Welt, in der die internationalen Beziehungen immer weniger auf dem Recht basieren, sondern durch das Recht des Stärkeren bestimmt werden. Das verträgt sich schlecht mit den Gefahren des Nuklearzeitalters. Nur in dem Masse, in dem vor allem die Grossmächte wieder bereit wären, sich auf internationale Regelungen einzulassen, können die Atomgefahren gebannt werden. Dies kann jedoch nicht bedeuten, zu der Art von Rüstungskontrollverhandlungen zurückzukehren, wie wir sie aus den Siebziger- und Achtzigerjahren kennen. Das bilaterale Zeitalter ist vorbei. Neben den USA und Russland müssten daher weitere Mächte, vor allem China, in die Rüstungskontrolle einbezogen werden.
Ich denke der Aufbau der Atomwaffen nach dem 2. Weltkrieg war der ultimative Ausdruck des “Recht des Stärkeren”. Man hat sich dann auf Regeln geeinigt, weil man verstanden hat, dass Leben und Leben lassen einerseits, und das Verhindern weiterer Nuklearmächte im gegenseitigen Interesse ist. Vielleicht kann man dazu zurückfinden und alle aktuellen und potentiellen Atommächte wieder zur Kooperation bewegen.
80 Jahre nach Hiroshima: Haben die fatalen Folgen des ersten Atombombenabwurfs ihre abschreckende Wirkung verloren?
Ja, die Erinnerung verblasst. Die jüngeren Generationen sehen die Nukleartechnologie nicht als modern an und unterschätzen daher oft die Vernichtungswirkung der Atombombe, die mit ihr einhergeht. Daher bedarf es hier viel Aufklärungsarbeit. Viel wäre schon damit gewonnen, den Begriff «taktische Atomwaffe» aus dem Vokabular zu streichen. Auch hat die Entwicklung neuer Technologien, etwa im Cyberbereich, Folgen für die Verhinderung künftiger Atomkriege. Frühwarn- sowie Kommando- und Kontrollzentralen können durch Cyberangriffe in ihrer Arbeit beeinträchtigt werden. Deshalb könnte die Wahrscheinlichkeit von Atomkriegen zunehmen. Es bleibt nach wie vor notwendig, kooperative Ansätze zur Verringerung der Gefahren durch Kernwaffen konsequent zu verfolgen.Amen. So bescheiden es auch ist, nukleare Abschreckung funktioniert, weil Länder darauf vertrauen können, dass sie im Falle eines Angriffes die andere Seite ebenfalls vernichten können. Sie reagieren daher besonders sensible darauf, wenn ihre Fähigkeiten beinträchtigt werden, ohne dass die Fähigkeiten der anderen Länder im gleichen Maße beeinträchtigt werden. Der Sturz von Gaddafi in Libyen und die Invasion Russland in Ukraine, sowie die jüngsten Angriffe auf Iran haben eindrücklich gezeigt, dass eine nukleare Abschreckung die beste Versicherung bleibt und auch nicht “outgesourct” werden kann. Ich gehe daher ähnlich wie Herr Thränert davon aus, dass eher mehr Staaten zu den Atommächten hinzukommen werden. Umso wichtiger, dass dann ein Rahmen geschaffen wird, der Auswüchse begrenzt.
Im Nachhinein ziemlich verrückt, wie man in Deutschland akzeptiert hat, dass zentrale Schlachtfeld zu werden, sollte der kalte Krieg heiß werden.
Es gab halt nur 2 realistische Optionen für den Fall: Entweder zentrales Schlachtfeld werden, oder gleich kapitulieren. Militärisch so stark zu sein, dass das zentrale Schlachtfeld grundsätzlich auf dem Territorium des Ostblocks gelegen hätte, wäre mit unakzeptabel hohen Kosten für die gesamte Gesellschaft verbunden gewesen. (Kosten meint hier nicht nur Geld, sondern auch die sozialen Konsequenzen einer vollkommen durchmilitarisierten Gesellschaft, die die Konsequenz davon gewesen wäre)
Wenn man schon vorher ankündigt, angesichts einer angreifenden Übermacht zu kapitulieren, lädt man einen Angreifer damit quasi ein. Die einzige Möglichkeit, aus dem Dilemma einigermaßen rauszukommen, ist es, das Szenario “zentrales Schlachtfeld werden” für den potenziellen Angreifer so unattraktiv zu machen, dass er gar nicht erst angreift. Die nukleare Abschreckung, auch auf taktischer Ebene, war ein wesentlicher Teil davon, weil man damit eben nicht nur glaubhaft zeigen konnte, dass man es mit der Verteidigung todernst meint, sondern auch die zahlenmäßige Überlegenheit des Ostblocks ausgleichen konnte.
Kleiner Lacher am Rande: Der alte Witz, dass der eigentliche Zweck der Bundeswehr wäre, den Feind so lange durch das Verursachen von Verkehrsstaus aufzuhalten, bis richtiges Militär kommt, basiert auf tatsächlichen NATO-Plänen für einen Angriff des Ostblocks. Die in Deutschland stationierten NATO-Truppen inklusive der Bundeswehr sollten in dem Fall durch Verzögerungstaktiken den Angriff so weit wie möglich verlangsamen, bis die US-Logistik angelaufen war und genug Truppen und Material über den Atlantik geschafft hatte, um dem Angriff zahlenmäßig gewachsen zu sein. Diese Verzögerungstaktiken beinhalteten auch die Sprengung strategisch wichtiger Verkehrsknotenpunkte und Engstellen an Verkehrswegen mit nuklearen Sprengsätzen.
Ich denke der Aufbau der Atomwaffen nach dem 2. Weltkrieg war der ultimative Ausdruck des “Recht des Stärkeren”. Man hat sich dann auf Regeln geeinigt, weil man verstanden hat, dass Leben und Leben lassen einerseits, und das Verhindern weiterer Nuklearmächte im gegenseitigen Interesse ist. Vielleicht kann man dazu zurückfinden und alle aktuellen und potentiellen Atommächte wieder zur Kooperation bewegen.
Atomwaffen sind aus meiner Sicht das genaue Gegenteil: sie dienen dazu, das Recht des Stärkeren dahingehend zu untergraben, als dass der Krieg für ihn zum unkalkulierbaren Risiko wird, obwohl er im klassischen militärischen Sinn überlegen ist. Der offensive Einsatz ist auch nur bedingt sinnvoll: z.B. verkauft ja Russland jetzt eroberte Gebiete in der Ukraine. Wie sollte das funktionieren, wenn sie das vorher mit Atomwaffen verstrahlt hätten? Ja, auslöschen kann man damit, aber für Geländegewinne sind diese Waffen eher ungeeignet. Deshalb hat die NATO auch damals gesagt, dass wenn Russland die Ukraine mit Atomwaffen angreifen würde, man gemeinsam konventionell angreifen werde, obwohl es ja eigentlich kein Bündnisfall ist: sie dienen eben der Abschreckung.
Die U-Boot-Nummer ist aus meiner Sicht deshalb auch nur Getöse, um von Epstein abzulenken. Diese Waffen lassen sich aber nicht realistisch einsetzen; das wäre ein sehr viel größerer Bruch mit Russland und der Welt, als die konventionellen Streitkräfte in die Ukraine zu entsenden, und davor schreckt er ja schon zurück. Russland kann den Bluff allerdings nicht callen, ohne sich selber lächerlich zu machen, denn sie drohen ja auch mit Atomwaffen, die sie aber aus den gleichen Gründen nicht einsetzen können bzw. wollen.


